Bewusstsein und das Eintreten ins Körperliche
- mehoveq
- 8. Aug.
- 5 Min. Lesezeit

In meinem vorherigen Text schrieb ich darüber, was Bewusstsein wirklich ist, und ich versuchte dir zu zeigen, wie du experimentell entdecken kannst, dass Bewusstsein nicht ein Produkt der Materie ist, sondern ihr ursprünglicher Baustein. Was einst den tibetischen Mönchen vorbehalten war, die sich in Bergklöstern zurückzogen, wird heute mutig von der Quantenphysik erforscht. Allmählich wird das Teil der Wissenschaft. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Physiker nicht mehr nur fragen, wie das Universum funktioniert, sondern auch, was sie selbst als bewusste Wesen sind – und experimentell entdecken, was ich dir heute vorstellen möchte. Vielleicht erleben wir dann die wahre Vereinigung von Psychologie, Spiritualität und Physik und gelangen zu einem umfassenderen Verständnis der Natur der Wirklichkeit.
Die traditionelle Wissenschaft hat sich von Beginn an nicht mit dieser metaphysischen Seite des Seins beschäftigt, denn sie ging davon aus, dass wir ausschließlich Körper sind und alles, was existiert, materiell ist und durch den Körper erkannt wird. Bis heute hat kein Wissenschaftler bewiesen, dass das Gehirn das Bewusstsein erzeugt. Meiner Ansicht nach ist das unmöglich, weil diese Überzeugung schlichtweg falsch ist. Das Modell, das Bewusstsein als Produkt des Gehirns annimmt, ist von Natur aus fehlerhaft und kann daher weder das Wesen der Wirklichkeit noch deine wahre Natur als bewusstes Wesen vollständig erklären. Ich lade dich also zu einer Reise in dein eigenes Bewusstsein und deinen Körper ein. Alles, worüber ich hier schreibe, kannst du selbst überprüfen – experimentell, in deinem Leben und in deinem Inneren.

In den Körper eintreten – aber in was?
Setze dich oder lege dich an einen Ort, wo dich niemand stören wird. Nimm ein paar tiefe Atemzüge und schließe die Augen. Konzentriere dich nicht auf den Atem, lass ihn einfach frei fließen. Versuche, deinen Körper von innen heraus wahrzunehmen. Bemerke, dass du den Fluss deiner Aufmerksamkeit zu einzelnen Körperteilen lenken kannst und sie von innen heraus fühlst. Spüre deine Füße, Beine, Gesäß, Bauch, Rücken, Brust, Hals, Kopf, Ohren, Augen, Mund und Nase. Umfasse nun mit deinem Bewusstsein deinen gesamten Körper als eine Einheit. Bemerke, dass sich manche Teile leichter, andere schwerer anfühlen. Spüre auch das Gewicht deines Körpers im Kontakt mit der Unterlage, auf der du sitzt oder liegst. Wenn du sitzt, spüre Füße und Gesäß auf dem Sitz; wenn du liegst, dein Körper auf dem Boden aufliegt.
Wenn du deinen Körper und sein Inneres Gewicht vollständig fühlst, gehen wir einen Schritt weiter. Stell dir vor, du hättest das gesamte Alphabet und alle Sprachen vergessen, die du bisher gekannt hast. Du hast auch deine ganze Geschichte und Vergangenheit vergessen – als hättest du dein Gedächtnis vollständig gelöscht, wie Hermine Granger in Harry Potter, als sie bei ihren Eltern das Zauberwort „Obliviate“ anwendete – nur dass es hier alles betrifft, was du über dich selbst weißt. Du kannst dir auch vorstellen, du seist ein neugeborenes Kind, wie es der spirituelle Lehrer Rupert Spira beschreibt. Ein Kind hat keine Vergangenheit, denkt nicht über die Zukunft nach, weiß nicht, wer es ist und wo es sich befindet – es ist einfach. Das Gleiche geschieht jetzt mit dir.
In diesem Zustand stelle dir vor und fühle: Ohne Sprache und ohne deine Geschichte, was kannst du über dich sagen, außer dass du existierst? Was kannst du über das Gefühl deines Körpers sagen, außer dass du seiner bewusst bist? Bemerke, dass all dies in einem Raum erscheint, wie auf einer transparenten Glasscheibe, auf der Empfindungen, Spannungen, Bewegungen auftauchen. Ohne Worte, um diese Körperteile und Empfindungen zu beschreiben, ist das Einzige, was du über sie sagen kannst, dass du ihrer bewusst bist. Sei dir dieses Raums des Fühlens und dessen, was darin erscheint, bewusst. Gehen wir weiter.
Ohne Sprache und ohne zu wissen, wo oder wer du bist, spüre die Stellen, an denen dein Körper mit der Unterlage in Kontakt steht, auf der du sitzt oder liegst. Diese Empfindung ist schwerer, dichter, als sei sie mit etwas Materiellem gefüllt. Bemerke, dass du darüber einzig sagen kannst, dass du dir dessen bewusst bist. Richte deine Aufmerksamkeit darauf, dass dieser Kontakt zwischen deinem Körper und der äußeren Materie im gleichen Bewusstseinsraum erscheint wie deine inneren Empfindungen im Körper. Sei aufmerksam – konzentriere dich zunächst auf die inneren Empfindungen, dann gehe schrittweise zu den „äußeren“ über. Beobachte aufmerksam: Gibt es eine Barriere, die diese beiden Empfindungsarten trennt, oder erscheinen sie alle im selben Bewusstseinsraum? Überraschung? Gehen wir weiter.
Lenke deinen Bewusstseinsstrom auf den Klang deines Ein- und Ausatmens sowie auf die Geräusche deiner Umgebung. Erinnere dich, dass du keine Sprache kennst, also benenne diese Klänge nicht – behandle sie einfach als abstrakte Töne, die im Raum erscheinen. Frage dich nun: Entstehen diese Klänge in einem anderen Raum als dem, in dem du deinen Körper und dessen Kontakt zur Unterlage fühlst? Existieren diese Geräusche in einem separaten, äußeren Raum außerhalb deines Bewusstseins? Falls ja, versuche jetzt die Grenze zwischen beiden Räumen zu finden. Ich wäre überrascht, wenn du sie findest – denn sie existiert nicht. Alles, was du als „äußerlich“ erlebst, erscheint in deinem Bewusstsein. Was wir die „materielle Welt“ nennen, ist ein Konzept des Geistes – Namen, Etiketten und Geschichten, erfunden, um die unendliche Vielfalt von Phänomenen in einer Welt zu ordnen, die im Grunde nicht von dir getrennt ist.
Lenke deine Aufmerksamkeit nun auf die Gedanken, die in deinem Bewusstsein auftauchen. Entstehen sie an einem anderen Ort als die Klänge oder Körperempfindungen? Sieh, dass alle diese Phänomene im gleichen einheitlichen, offenen Raum erscheinen – wie Bilder auf einer Kinoleinwand. Die Leinwand des Bewusstseins selbst bleibt unverändert und still, während der Film darauf ständig wechselt. All das geschieht im ewigen Jetzt, denn – wie ich zuvor schrieb – Vergangenheit und Zukunft existieren schlichtweg nicht. Und wenn du deine Gedanken genauso behandelst wie den Klang eines Vogels oder einer Autohupe – als vorübergehende, abstrakte Phänomene – wirst du erkennen, dass das Einzige, was du über sie sagen kannst, ist, dass du dir ihrer bewusst bist. Sie tauchen in dir auf, genauso wie Körperempfindungen und die „äußere Welt“, haben jedoch keine bleibende Natur – sie vergehen und fließen wie ein Fluss, gemäß der uralten Wahrheit panta rhei.

Wird dir dabei schwindelig?
Als neugeborenes Kind weißt du nicht, was oben, unten, rechts oder links bedeutet – du bist einfach hier und jetzt, ohne Konzepte und Namen. Stelle dir die Frage: Worin unterscheidet sich dieses JETZT von dem vor 15 Minuten? Und worin wird sich DIESER HIER von dem unterscheiden, das in 15 Minuten sein wird? Wenn du gewöhnlich schaust, wirst du sehen, dass sich deine Position ändert, andere Gedanken auftauchen, vielleicht bewegst du dich in ein anderes Zimmer. Doch wenn du alle Etiketten wegnimmst, bemerkst du, dass die Leinwand des Bewusstseins unverändert blieb – nur das Bild änderte sich: sein Inhalt, seine Intensität, sein Kolorit. Du bist diese Leinwand – Bewusstsein, das keinen bestimmten Ort hat und doch überall ist. Die ganze Welt erscheint wie ein dreidimensionales Hologramm, das auf dieser Leinwand projiziert wird, und du bist derjenige, der es sieht und in dem es erscheint.
Kurz gesagt: Das, was wir Erleuchtung nennen – oft umhüllt von Geheimnis und Mystik – ist die einfachste, innigste Erfahrung: sich selbst bewusst zu sein, also allem, was geschieht. Jetzt könntest du fragen: „Okay, und was jetzt? Wie lebe ich? Wer bin ich? Was ist mit Karriere, Familie, Kindern, Arbeit?“ Und genau darum geht Praxis – in jeder dieser Situationen die bewusste Leinwand zu sein, auf der sich die Realität entfaltet. Dein Ego wird mit aller Kraft versuchen, dir zu beweisen, dass du von der Welt getrennt bist, denn für es bedeutet die Erkenntnis dieser Leinwand sein Ende. Das erfordert Geduld, Übung, innere Arbeit, spirituell‑psychologischen Einsatz, Unterstützung und Selbstliebe. Du wirst enormen Widerstand spüren, weil wir unser ganzes Leben lang – und über hunderttausende Jahre menschlicher Erfahrung – auf die Wirklichkeit durch den Filter der Trennung geschaut haben, und unser Nervensystem fühlt sich in diesem Haus der Separiertheit heimisch, auch wenn es schmerzhaft ist.
Aber das, was wir Erleuchtung nennen – was letztlich nur ein Wort ist, ein Versuch, volle Bewusstheit zu beschreiben – ist kein mystisches Ereignis, sondern tägliche Praxis des Lebens in Wahrheit.
Ich wünsche dir eine fruchtbare, mutige Erforschung des Bewusstseins.
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